"Wir haben keine Zeit" – kann das sein?
Denkmuster und Überzeugungen über Zeit prägen grundlegend unser Leben, unser Sein und unsere Zusammenarbeit in Organisationen. Als Zeitgestalter erläutert Jonas Geissler in dieser Folge seine Sicht auf die Zeit und ihre Rolle in unserem Leben und in der Zusammenarbeit in Organisationen. Er stellt grundlegende Zeitkonzepte vor und zeigt, wie unser historischer und kultureller Hintergrund unsere Beziehung zur Zeit prägt.
Wir erkennen, dass die mechanische Uhr eine revolutionäre Erfindung war, die dazu führte, dass Zeit zu einer quantitativen Ressource wurde - eine Entwicklung, die den Kapitalismus vorantrieb und unsere Wahrnehmung von Zeit grundlegend veränderte.
Martin und Jonas beleuchten auch, wie die Normen unserer modernen Gesellschaft uns oftmals glauben lassen, unsere Zeit „managen“ zu müssen, und dass die ständige Suche nach der optimalen Zeiteinteilung oft nur ein Symptom für ein tiefer liegendes Problem ist. Die Vorstellung, immer produktiv sein zu müssen, führt zu einem aggressiven Umgang mit der Zeit, anstatt sie als treuen Begleiter zu sehen. Der entscheidende Gedanke ist, dass es nicht nur darum geht, wie wir Zeit verbringen, sondern wie wir ihr begegnen. Es geht um Resonanz: Zeiten der Resonanz sind die Momente, in denen wir uns lebendig fühlen und die uns im Alltag oft verloren gehen, wenn wir uns nur auf das Funktionieren konzentrieren.
Er beschreibt, dass wir als Gesellschaft ein ungesundes Verhältnis zur Zeit entwickelt haben, da viele Menschen das Gefühl haben, immer weniger Zeit zu haben. Verstärkt wird dies durch gesellschaftliche Erwartungen und Anforderungen in Beruf, Familie und sozialem Engagement. Keine Zeit zu haben" gilt als Mittel der sozialen Abgrenzung, während diejenigen, die Zeit haben, oft als verdächtig oder faul angesehen werden. Jonas zeigt, dass hier eine tiefere soziale Dynamik vorliegt, die auch Fragen der Gerechtigkeit und Fairness einschließt.
Jonas betont die Notwendigkeit in Organisationen Raum für Selbstreflexion zu schaffen, um ein neues, gesundes Verhältnis zur Zeit zu entwickeln. Diese Reflexion könne dazu beitragen, dass Menschen nicht nur funktionieren, sondern ein (sinn)erfüllteres Leben führen.
Mit Blick auf die Zukunft wird diskutiert, welche kulturellen Veränderungen notwendig sind, um einen neuen Umgang mit Zeit zu ermöglichen. Jonas hofft auf Zeitvielfalt in Organisationen, in denen Menschen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeiten können und nicht ständig im Hustle-Modus gefangen sind. Zeit als wertvolles Gut zu betrachten, das für verschiedene Zwecke unterschiedlich genutzt werden kann, könnte zu einer gesünderen und produktiveren Arbeitskultur führen, in der Wohlbefinden und Effektivität nicht im Widerspruch zueinander stehen.
Abschließend reflektiert Jonas über die Verantwortung von Führungskräften und die Wichtigkeit, das Thema Zeit möglichst aktiv auf die Tagesordnung zu setzen. Die Gestaltung eines positiven Umgangs mit Zeit könne nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern auch den Erfolg von Organisationen steigern.
Das inspiriert Jonas Geissler:
- Der Zustand, wenn ich im Fluß der Zeit bade und die Wellen der Zeit surfe.
- Organisationen, die das Zeitthema erkannt haben und eine positive Zeitkultur jenseits von Hetze und Hustle fördern.
- Das Buch 4000 Wochen von Oliver Burkeman
- Der Podcast The Long Time Academy von Ella Saltmarshe
- Der Film „Playtime“ von Jacques Tati
Harald Lesch liest aus dem Buch „Alles eine Frage der Zeit vor“:
- Was Sterbende am meisten bereuen.
- Warum Physiker die Zeit hassen.
- Dimensionen der Zeit in der Relativitätstheorie
- Energie- und Zeitkrisen
Shownotes:
>> Jonas Geissler bei LinkedIn
>> Trailer zum Buch Alles eine Frage der Zeit
unsere Gesprächspartner

Jonas Geissler
Jonas Geißler ist Zeit-Genosse. Sein Thema ist die Zeit - mit all ihren Facetten. Er arbeitet als Speaker, Autor und Coach - aber im Grunde ist er Zeitraumgestalter. Jonas ist Gründer und Teilhaber von timesandmore – Institut für Zeitberatung. Er hat die MANEMO eG für nachhaltige Wirtschaftsformen mitgegründet und ist Founding Partner beim Startup „vonMorgen,“ das digitale Lernwelten entwickelt.
Er hatte Lehraufträge an der Ludwig Maximilian Universität München und der Hochschule München, ist Autor von „Time is Honey“ und dem Spiegel Bestseller „Alles eine Frage der Zeit“ und ist regelmäßiger Gast in Radio und Fernsehen. Neben der Zeit beschäftigt er sich mit systemischer Organisationsberatung, Team- und Führungskräfteentwicklung und nachhaltigem Unternehmertum.
Jonas Geißler ist Familienvater, liebt das Surfen in den Wellen des Ozeans und lebt in München.

Martin Permantier
Martin Permantier ist Autor, Seminarleiter, Speaker und Coach. Er begleitet als Gründer und Geschäftsführer von SHORT CUTS seit über 20 Jahren Unternehmen bei ihrer strategischen Ausrichtung und Positionierung. SHORT CUTS ist eine Agentur für Corporate Identity und unterstützt Unternehmen dabei Kommunikation, Kultur und Design zu entwickeln und auf den Punkt zu bringen.